Wir lernen jeden Tag bewusst oder unbewusst etwas Neues. Wenn wir das Wort „Lernen“ lesen, sehen oder hören, denken wir jedoch häufig an die Schule oder die Ausbildung und das verbinden wir mit Anstrengung, Büffeln von vielen unnötigen Stoffen.
Bei jedem Lernen, ob groß oder klein durchlaufen wir vier Phasen des Lernens und diese können unterschiedlich lang sein, je nachdem wie bedeutend das Thema für uns ist und wie viel Zeit wir dafür investieren und wie intensiv wir uns mit dem Thema beschäftigen.
Das Modell „Vier Phasen des Lernens“ veranschaulicht, dass Lernen stufenweise in vier Lernstufen erfolgt und ein Mensch sich in Teilschritten vom inkompetenten zu kompetenten Individuum entwickeln kann. Lernen ist ein komplexer Vorgang, und das Modell veranschaulicht durch Reduktion und Vereinfachung der Komplexität, dass jeder Lernprozess in vier Phasen abläuft.
Unter dem Begriff Kompetenz ist die Fähigkeit oder auch Sachverstand gemeint, die es einer Person ermöglicht, in einem Bereich Probleme oder Anforderungen lösen zu können.
In der ersten Lernstufe weiß die Person gar nicht, dass ihr in einem bestimmen Bereich die entsprechende Fähigkeit fehlt. Die Person ist sich ihr Defizit somit nicht bewusst – unbewusste Inkompetenz. Sie erkennt nicht, dass sie z.B. ein Verhalten oder ein Denkfehler hat. Woher auch! Ihr ist es ja nicht bewusst.
Ein Beispiel: Wenn man noch nie ein Fahrrad gesehen hat, dann kann man nicht wissen, dass man ein Fahrrad nicht fahren kann.
In der zweiten Lernstufe – bewusste Inkompetenz – weiß die Person, dass ihr die Fähigkeit fehlt, sie kennt also ihr Defizit. Diese Stufe spielt eine wesentliche Rolle, denn die Person erkennt ihre Unfähigkeit und bekommt eine Idee und eine Vorstellung davon, wie sie ihre Defizite beheben kann. In dieser Stufe weiß die Person, was sie tun kann, um die gewünschte Fähigkeit zu erlangen. Sie erkennt z.B., dass sie ein Verhalten oder ein Denkfehler hat und andere Verhaltensmöglichkeiten existieren. Nun weiß die Person, was zu tun ist. Bezogen auf das Fahrradfahren, weiß die Person, dass es ein Fahrrad gibt, dass man sich damit fortbewegen kann, und dass ihr jedoch die Fähigkeit zum Fahrradfahren fehlt.

Will nun die Person eine bestimmte Fähigkeit lernen, kann sie in der dritten Lernstufe – bewusste Kompetenz – durch ausreichende Information, Wissen, Erfahrung und Übung die Fähigkeit erlernen. Die Person macht nun die Entwicklung von bewusster Inkompetenz zur bewussten Kompetenz. In dieser Phase läuft die Erlangung Fähigkeit nicht von selbst. Es wird viel Energie, Zeit und Arbeit in die Erlangung der Fähigkeit gesteckt.
Um die Fähigkeit des Fahrradfahrens zu erlangen, muss die Person immer wieder das Fahrradfahren üben, sich auf viele verschiedene Dinge gleichzeitig konzentrieren, eventuell sogar hinfallen, aufstehen und weiterüben.
In der letzten Lernstufe – unbewusste Kompetenz – kann die Person die gewünschte Fähigkeit wie aus dem FF. Durch die intensive Übung in der Phase drei hat sie die Fähigkeit erlernt, dass sie so zu sagen einem in Fleisch und Blut übergegangen ist. Nun muss die Person nichts mehr über Ihre Fähigkeit in dem Bereich nachdenken, sie kann sie und macht sie intuitiv.
Das Fahrradfahren funktioniert also automatisch. Die Person muss nicht mehr darüber nachdenken, das Gleichgewicht zu halten und in die Pedale zu treten. Es geht wie von selbst und ist kinderleicht!
Viele ungeschriebene kulturelle Verhaltensweisen und Regeln werden oft befolgt, ohne nachzudenken, weil diese unbewusst angewendet werden – unbewusste Kompetenz. Für die Menschen in einer Region scheinen bestimmte Verhaltensweisen selbstverständlich doch diese Selbstverständlichkeit kann für andere z.B. ausländische Mitarbeiter in einem Unternehmen eine große Herausforderung darstellen.
Wie kann es nun gelingen, die unbewusste Kompetenz, die in einem Unternehmen bzw. in einer Abteilung als Routine in den Prozessabläufe verankert ist und von den Mitarbeiter häufig ungefragt befolgt werden, für neue Mitarbeiter aus anderen Ländern zugänglich zu machen?
Meiner Meinung nach kann an zwei Stellen angesetzt werden:
1) Es geht darum, dass ein Unternehmen oder „Mentoren“ bestimmte etablierte Vorgehensweisen oder Methoden, die automatisch ablaufen, von der vierten Lernstufe „unbewussten Kompetenz“ in die dritte Lernstufe „bewusste Kompetenz“ bringen, um die notwendige Fähigkeit auch anderen vermitteln zu können. Solange es unbewusst ist, kann keine Methode vermittelt werden. Daher ist der umgekehrte Vorgang erforderlich!
2) Des Weiteren geht es darum, dass den neuen Kollegen ihre „unbewussten Inkompetenzen“ aufgezeigt wird und gleichzeitig Möglichkeiten angeboten werden, wie sie zunächst von unbewusster Inkompetenz zur bewussten Kompetenz gelangen können. Dafür ist jedoch ein hohes Reflexionsvermögen auf beiden Seiten erforderlich.
Bestimmte Abläufe und Prozesse werden dann auch bei den neuen Mitarbeitern nach und nach in die Lernstufe 3 (bewusste Kompetenz) kommen.
In manchen Fällen ist es also erforderlich den umgekehrten Weg zu beschreiten, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen.